Europa triumphiert im ewigen Duell in der ewigen Stadt

Was war das für eine deftige Schlappe vor zwei Jahren – 9:19 aus europäischer Sicht. Team Europa wollte diese Schmach von Whisitling Straits vergessen machen und so stand der 44. Ryder Cup im Marco Simone Golf and Country Club zu Rom ganz im Zeichen der erhofften Wiedergutmachung. Was soll man sagen: Europa feiert. Aus gutem Grund und zurecht. Es war eine beeindruckende Revanche des Teams von Kapitän Luke Donald. Die Europäer begannen ihren Siegeszug von Rom in der ersten Session, als sie zum ersten Mal in der Geschichte des Ryder Cup 4:0 in Führung gingen. Die Dominanz setzte sich fort und erst am Samstagnachmittag konnten die US-Amerikaner etwas Boden gutmachen.


Der Vorsprung vor den Einzeln war aber immer noch beachtlich. 10,5:5,5 stand es vor den finalen zwölf Matches am Sonntag. Europa benötigte aus diesen Duellen noch vier Punkte, um die besondere Heimserie beim Ryder Cup auszubauen. Seit 1993 hatten sie keinen Kontinentalvergleich mehr auf heimischem Boden verloren. Zwischenzeitlich musste Europa doch nochmal um die Führung zittern, als plötzlich die US-Farben das Leaderboard dominierten. Doch statt eines historischen Comebacks wurde es am Ende ein europäischer Start-Ziel-Sieg. Fast ebenso historisch, denn wer hatte noch vor Jahresfrist etwas auf das damals krasse Außenseiter-Team gesetzt. Nun kam es wie so oft: Das Heim-Team dominiert und feiert seine Helden.

Wir schauen auf die Protagonisten dieses besonderen Ryder Cup ins Rom.

Rory McIlroy

Vor zwei Jahren in Whistling Straits war er noch ein gebrochener Mann. Aufgrund seiner damals wenig erbaulichen Leistung war Rory McIlroy in dieser Woche in Rom offensichtlich auf einer Mission – und ließ sich von dieser nicht abbringen. Als einer der erfahrensten Spieler Europas wollte er das Team führen und die Schmach der vergangenen Ausgabe wiedergutmachen. Nach den drei Tagen von Rom lässt sich sagen: McIlroy hat seine Mission erfüllt. Der Nordire war in allen fünf Sessions im Einsatz, gewann vier Matches – die meisten aller Teilnehmer – und überzeugte als emotionaler Führungsspieler. Wie emotional er bei der Sache war, zeigten nicht nur die vielen Jubelschreie und geballten Fäuste auf dem Platz. Nachdem der Sieg für die Europäer feststand, schluchzte McIlroy am Mikrofon und rang um folgende Worte: „Schon seit Whistling Straits hat es mir und dem Team so viel bedeutet, die Dinge in Ordnung zu bringen... diese Woche vier Punkte zu holen, bedeutet mir so viel.“

Tommy Fleetwood

Einem Spieler aus dem Siegerteam wird eine besondere Ehre zuteil. Er darf den entscheidenden Punkt zum Sieg holen. Im 44. Ryder Cup sorgte der Engländer Tommy Fleetwood für den Moment der Erleichterung bei Team Europa. Sein Match gegen Rickie Fowler gestaltete sich ausgeglichen. Und irgendwann benötigte Europa nur noch einen halben Punkt für den Gewinn des Ryder Cup. Diesen holte Fleetwood am kurzen Par 4 der 16. US-Golfer Fowler versenkte seinen Abschlag im Wasser, was Fleetwood nicht daran hinderte, ebenfalls mit einem Driver das Grün zu attackieren. Der Mut wurde belohnt. Sein Abschlag landete auf dem Grün und mit einem Zwei-Putt war der Lochgewinn und damit der halbe Punkt sicher. Fleetwood entschied den Ryder Cup aber nicht nur mit seinem Einzel. Schon in den Team-Matches holte er 2,5 Punkte und zählte damit zu den erfolgreichsten Spielern der Woche.

Skandinavisches Rekordduo

Dass der norwegische FedExCup-Champion und Top-5-Spieler Viktor Hovland bei seiner zweiten Ryder-Cup-Teilnahme einer der Leistungsträger des europäischen Teams werden würde, war zu erwarten. Überraschender kam die beeindruckende Rookie-Performance des jungen Schweden Ludvig Åberg, der vor nicht einmal vier Monaten ins Profigeschäft gewechselt und per Wild Card ins Team gerutscht war. Der 23-Jährige gewann beide seine Foursome-Matches an der Seite von Hovland. Gemeinsam schrieben sie am Samstagvormittag Geschichte, als sie die Major-Sieger Brooks Koepka und Scottie Scheffler mit 9&7 deklassierten. So deutlich ging ein Team-Match (über 18 Löcher) noch nie aus. Für Rookie Åberg ein surreales Erlebnis: „Ich musste mich fast ein wenig kneifen.“ Dieses skandinavische Rekordduo haben wir so ganz bestimmt nicht zum letzten Mal beim Ryder Cup gesehen.

Scottie Scheffler

Während Åberg kaum glauben konnte, was ihm und Hovland im Rekord-Match gelungen war, musste der Weltranglistenerste Scottie Scheffler getröstet werden. Es waren Bilder mit Symbolcharakter: Zu einem Zeitpunkt, als wirklich alles für die Europäer lief, saß der Masters-Sieger aus 2022 heulend auf einem Cart und musste von seiner Frau getröstet werden. Eine Szene, die einmal mehr zeigte, wie viel selbst den erfahrenen Superstars dieser Wettbewerb bedeutet. Doch Scheffler schien sich vor den Einzeln von der Enttäuschung erholt zu haben. Am Sonntag ging er als erster Spieler auf den Platz und gewann sein hochklassiges Einzel gegen den Spanier Jon Rahm. Die Niederlage seines Teams konnte er damit aber nicht abwenden.

Patrick Cantlay

Es war die Geschichte des zweiten Tags: Schon am Morgen kursierten Gerüchte im Pressezelt, das US-amerikanische Team sei gespalten. Medienberichten zufolge fordere Patrick Cantlay für alle Spieler beim Ryder Cup eine entsprechende Vergütung. Prompt wurde seine Entscheidung, als einziger Spieler im Team keine Kappe zu tragen, als Zeichen des Protests gewertet. Die Zuschauer nahmen dies als Anlass, Gesänge zu kreieren und mit ihren eigenen Kappen zu winken, um Cantlay zu provozieren. Wirklich beeindruckt zeigte der sich aber nicht. Sein Match am Samstagnachmittag entschied er mit großartigen Putts auf den letzten Löchern zugunsten der USA und gab seinem Team so noch einmal einen Motivationsschub vor den Einzeln. Die aufgekommenen Gerüchte dementierte Cantlay in der anschließenden Pressekonferenz wie folgt: „Die Kappe passt einfach nicht.“ Später hieß es, er wolle vor seiner Hochzeit am Dienstag gerne keine Bräuningslinie auf der Stirn haben. So wirr die Theorien, so ernst das Thema. Und so stark Cantlay aus sportlicher Sicht. Auch sein Einzel gewann er am Sonntag eindrucksvoll.

Joe LaCava

Ihren Höhepunkt erreichte die Kappen-Kontroverse auf dem 18. Grün des Marco Simone Golf and Country Clubs am Samstagabend. Im letzten Match der Nachmittagssession spielte eben jener Cantlay mit Wyndham Clark gegen Rory McIlroy und Matt Fitzpatrick. Nachdem Cantlay seinen langen Birdie-Putt versenkt hatte, brach im US-Team großer Jubel aus. Seine Teamkollegen zogen ihre Kappen ab und winkten den europäischen Fans zu, als Reaktion auf deren anhaltende Tiraden. Cantlays Caddie Joe LaCava, früher auch für Tiger Woods an der Tasche, schloss sich dem Jubel an. Aber nicht nur das europäische Team war der Meinung, dass LaCava seine Kappe etwas zu früh und zu lang geschwenkt hatte und damit die Europäer nicht nur provoziert sondern auch wirklich behindert hatte. McIlroy, der noch einen Putt zum Teilen hatte, echauffierte sich über die aus seiner Sicht unsportliche Aktion und auch der Ire Shane Lowry gab LaCava eine kleine Standpauke.
Plötzlich war richtig Feuer in dem ewigen Duell, das bis dato aufgrund der Einseitigkeit etwas kühl daherkam. Und das Wortgefecht ging anschließend auf dem Parkplatz weiter. Ein Video in den sozialen Medien zeigte, wie McIlroy aufgebracht und mit dem Zeigefinger auf jemanden zeigend schimpfte, bevor er von Lowry zurückgehalten wurde. US-Captain Zach Johnson nahm LaCava in Schutz – gehörte damit aber nicht wirklich zur Mehrheit.

Atemberaubende Golf-Tradition und italienische Dolce Vita

Ohne die Fans wäre der Ryder Cup nur ein weiteres Golf-Event.

Hot Dogs, Bananen und die Freiheitsstatue. Die Fans in Rom verwandelten den Ryder Cup einmal mehr in ein buntes Treiben voller guter Laune und Faschingsgefühlen. Bei bestem Wetter an allen drei Tagen im Marco Simone Golf and Country Club wurde der Golfsport gefeiert und von seiner unterhaltsamsten Seite in die Welt getragen. Traditionell am lautesten wurde es am ersten Abschlag. Bis zu 5.000 Fans fanden auf den Tribünen rund um die Tee-Box Platz. Hier wurde gesungen, getanzt und geschwiegen. Europäische Spieler bekamen ihre individuellen Gesänge, Klassiker wie „Sweet Caroline“ wurden laut gegrölt und, wenn die Protagonisten bereit waren abzuschlagen, konnte man auf dem zum Amphitheater gestalteten Abschlag eine Stecknadel fallen hören. Ohne die Fans wäre der Ryder Cup nur ein weiteres Golf-Event. Hier in Rom war er in seiner Mischung aus atemberaubender Golf-Tradition und italienischem Dolce Vita wieder ein Duell für die Ewigkeit.

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