Europa vs. USA: Das ewige Duell in Rom

Fünf Geschichten zum 44. Ryder Cup

Der Heimvorteil

Der Ryder Cup findet niemals auf neutralem Boden statt. Europa und die USA tragen den Kontinentalvergleich abwechselnd aus. In dieser Woche geht es erstmals nach Italien – ein gutes Omen für die Europäer. Das letzte Mal, dass man einen Ryder Cup auf heimischem Boden verlor, liegt 30 Jahre zurück (The Belfry, England). Seitdem gingen sechs Heimausgaben in Folge an das europäische Team. Woran liegt das? Zum einen dürften die emotionalen Fans ihren Anteil daran haben, dass sich die europäischen Golfstars erst einen ordentlichen Team-Spirit finden und dann zu Höchstleistungen gepusht werden. Zum anderen war es den Europäern zuletzt immer wieder gelungen, das Setup des Austragungsortes auf die eigenen Stärken anzupassen. Hält der fast unheimliche Heimvorteil auch in Rom an? Europas Kapitän Luke Donald hat die Erfahrung und weiß, was helfen könnte. Sein US-Kollege Zach Johnson wird ahnen, was ihn erwartet. Wer trifft auf Basis dieses Wissens die richtigen Entscheidungen? 

Das Amphitheater

Marco Simone Golf & Country Club

Bleiben wir noch kurz beim Austragungsort. Für die 44. Ausgabe des Ryder Cups geht es zum dritten Mal in der Turniergeschichte nach Kontinentaleuropa. Spanien (Valderrama) und Frankreich (Le Golf National) hatten wir schon, nun darf sich der Marco Simone Golf & Country Club im Nordosten Roms auf der größten Golfbühne präsentieren. Das 350 Hektar große Anwesen, das an klaren Tagen einen famosen Blick auf den Petersdom gewährt, eignet sich aufgrund seines hügeligen Layouts ideal für die Austragung eines Events, zu dem pro Tag circa 45.000 Menschen erwartet werden. Die unzähligen Naturtribünen rund um die Grüns sollen eine Atmosphäre wie im Amphitheater schaffen. Die begehrtesten Plätze dürften erneut die am ersten Abschlag sein, wo es auf den aufgebauten Tribünen ähnlich laut werden wird wie im Estadio Olímpico de Roma, wenn die beiden rivalisierten Fußballteam AS und Lazio aufeinandertreffen.

Der Exot

Seit Gründung der LIV Golf League wurde viel darüber diskutiert, ob Spieler, die sich der neuen Tour aus Saudi-Arabien angeschlossen haben, beim Ryder Cup dabei sein sollen. Immerhin wurde der Schwede Henrik Stenson umgehend seines Kapitänsamts enthoben, nachdem dieser seinen Wechsel bekanntgegeben hatte. Mit Brooks Koepka ist letztlich ein LIV-Mitglied in Rom dabei. Der amtierende PGA Champion wurde von Kapitän Zach Johnson ins US-Team berufen und ist damit der Exot in dieser Woche. Alle 23 anderen Spieler sind entweder DP-World- oder PGA-Tour-Mitglieder. Wenn es nach dem Spanier Jon Rahm ginge, hätte zumindest ein weiterer LIV-Spieler dabei sein sollen: Landsmann und Ryder-Cup-Rekordspieler Sergio Garcia. Rahm sprach sich kürzlich lautstark für eine Berücksichtigung seines Kumpels aus. Wenn schon nicht als Spieler, dann wenigstens als Vize-Kapitän. Es sei „wirklich dumm“, nicht auf Garcias Erfahrung zu setzen. Europas Kapitän Luke Donald jedoch verzichtet gänzlich auf LIV-Einfluss in seinem Team.

Die Revanche

19 zu 9

Vor zwei Jahren erlebte Europa eine krachende Niederlage in Whistling Straits. Nun soll die Revanche für die größte Klatsche in der Geschichte des Duells Europa vs. USA her. Immerhin sieben der zwölf Geschlagenen von vor zwei Jahren sind auch in Rom wieder dabei. Aus europäischer Sicht hofft man, dass die Niederlage zusammengeschweißt hat. Dass die USA zwei Ryder Cups in Folge gewinnen konnte, liegt eben jene 30 Jahre, die man nicht mehr in Europa triumphierte, zurück. Mit dem entsprechenden Zusammenhalt beim Heimteam soll sich daran auch nichts ändern. „Es wird schön sein, wenn alle zusammenkommen, vor der Woche in Rom ein paar frühe Mannschaftsessen zu veranstalten und wirklich das Gefühl zu haben, dass die Teamchemie bereits zu wachsen beginnt“, sagte der Nordire Rory McIlroy. Bleibt abzuwarten, ob die Wut im Bauch Kräfte freisetzt oder doch eher verkrampft.

Der Favorit

Bleibt die Frage: Wer geht als Favorit in den diesjährigen Ryder Cup? Lassen wir ein paar Zahlen sprechen: Was die Platzierungen in der Weltrangliste betrifft, hat Team USA auf dem Papier die bessere Mannschaft. Im Schnitt belegen die zwölf Spieler von Zach Johnson Rang 13 in der Weltrangliste (Europa 30). Während die europäischen Spieler 114 Turniere weltweit gewinnen konnten (USA 90), hat Team USA bei Major-Siegen die Oberhand (15 zu 9). Die USA ist zudem in den Einzeln, die den Ryder Cup am Sonntag beschließen, traditionell etwas stärker (62 Prozent der Sessions gewonnen). Team Europe hat mit 43 Prozent gewonnenen Spielen in den Team-Sessions die Nase vorn (USA 35 Prozent, 21 Prozent geteilt). In Sachen Lebenserfahrung liegt man gleichauf: Das Durchschnittsalter der beiden Teams beträgt rund 30 Jahre. Die beiden ältesten Spieler in den Teams sind Justin Rose (43) und Open-Sieger Brian Harman (36). Viele Zahlen - und doch wenig Aussagekraft. Zumindest die Buchmacher haben sich festgelegt und sehen die USA vorne (USA 1,85; Europa 2,25).